NichtmeinTatort (NMT)
Pary El-Qalqili und Biene Pilavci
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Berlin, den 25.11.2020
An
Die Geschäftsleitung des
ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN
55100 Mainz
Sehr geehrter Herr Dr. Bellut,
sehr geehrte Frau Brieden,
sehr geehrter Herr Dr. Frey,
sehr geehrter Herr Dr. Himmler,
sehr geehrter Herr. Dr. Rombach,
sicher haben Sie bereits von unserer Stellungnahme zum Wettbewerb „Regisseurin gesucht“ zu dem Motto „Unbeschreiblich weiblich” Ihres Partnersenders ARTE erfahren.
In dem Offenen Brief an ARTE G.E.I.E. vom 12.11.2020 fordern 678 Personen aus der Branche und 29 Filmverbände und Vereine strukturelle Gleichberechtigung von weiblichen* Filmschaffenden und eine verbindliche 50/50 Quote. Begleitung fand die Aktion durch die Initiative einiger Hochschulstudent*innen und Absolvent*innen unter dem Hashtag #wirwarenimmerda.
Da ein Viertel des ARTE-Programms sich aus Produktionen des ZDF speist, wenden wir uns auch an Sie.
Ein Blick in den aktuellen Diversitätsbericht des BVR zeigt, die Zahlen zur Teilhabe von Regisseurinnen* haben sich beim ZDF seit seinem Erscheinen im Jahr 2014 nur marginal verbessert. Nur 19,8 % der ZDF Sendeminuten werden von Regisseurinnen* verantwortet. Das ist ein Armutszeugnis.
Der Diversitätsbericht zeigt auch, dass sich der leichte Anstieg aus der Beschäftigung weiblicher* Filmschaffender in Ihrem Vorabendprogramm speist. Der Zugang zum Hauptprogramm bleibt dem Großteil der Regisseurinnen* immer noch verwehrt.
Daraus ergibt sich eine klare Benachteiligung: Das Vorabendprogramm ist deutlich schlechter entlohnt und stützt den eklatanten Genderpaygap in unserer Branche. Laut der Zahlen der KSK verdienen Regisseurinnen* 37 % weniger als ihre männlichen* Kollegen. Im Bereich Kamera beträgt der Lohnunterschied fast 70%!
Initiativen wie die Nachwuchsförderung des ZDFs von 2017 verstärken diese Situation noch: Statt ihrer Qualifikation entsprechend angemessene Aufträge zu erhalten, sollen die Regisseurinnen* durch Praktika langsam an das Hauptprogramm herangeführt werden.
Bei der im ZDF auf Staffelung basierenden Entlohnung tun sich dadurch schon zu Karrierebeginn schwer auszugleichende Lohnunterschiede zwischen Regisseurinnen* und Regisseuren* auf.
Wieso wird Regieabsolventinnen* nicht das Gleiche zugetraut wie ihren männlichen* Kollegen? Wieso bedarf es spezieller Wettbewerbe, statt Frauen* in Regieposition einfach gleichberechtigt zu beschäftigen? Wir erkennen darin immer noch strukturelle Benachteiligung und Diskriminierung von Filmemacherinnen*.
Ihre Kopplung von Gleichstellung und Nachwuchsförderung führt zudem nicht nur zu Lohnungerechtigkeit, sondern sorgt für Altersdiskriminierung. Filmemacherinnen*, die bereits jahrelang keinen Zugang zu ZDF-Produktionen erhielten, werden nun ein weiteres Mal ausgegrenzt.
Diese strukturelle Benachteiligung hat einen erheblichen Anteil daran, dass Frauen* auch in unserer Branche stärker von Altersarmut bedroht sind.
Schon 2017 wies Pro Quote Regie/Film daher in einem Gespräch mit dem ZDF-Programmdirektor und der Redaktionsleiterin des Kleinen Fernsehspiels darauf hin, dass Gleichstellung nicht gleichbedeutend mit Nachwuchsförderung sein darf und es konsequente Maßnahmen erfordert, um den eklatanten Missstand beseitigen zu können.
Es wird Zeit, dass weibliche* Filmschaffende endlich auch im ZDF gleichberechtigt in allen Programmbereichen willkommen geheißen werden.
In einer postmigrantischen diversen Gesellschaft muss sich die Vielfalt vor und hinter der Kamera widerspiegeln.
Dazu gehört auch die gleichberechtigte Teilhabe von Filmemacher*innen of Color, sowie Filmschaffenden* aus nicht privilegierten Familien, von queeren, non-binären Filmemacher*innen und trans* Personen.
Wo bleibt das Signal, dass auch das ZDF verstanden hat, dass es beim Thema Gleichstellung nicht nur um die gleichberechtigte Beschäftigung von Frauen* geht, sondern auch um die Erhöhung von Diversität und Programmvielfalt? Auch im Hauptprogramm.
Nach nun mittlerweile 6 Jahren Pro Quote Film, 10 Jahren Gendermonitoring durch den BVR-Diversitätsbericht und umfassender wissenschaftlicher Studien zum Thema, ist es Zeit für echte Veränderung.
Wir würden daher gerne an das damalige Gespräch anknüpfen und mit Ihnen über Strategien sprechen, die die eklatante Schieflage in ihrem Hause endlich beseitigen können.
Gerne wiederholen wir an dieser Stelle nochmal unsere, Ihnen schon bekannten, Forderungen:
Eine Einführung der 50/50 Gender-Quote
Transparente Maßnahmen, zur Gendergleichberechtigung von Autorinnen*, Regisseurinnen*, Cinematografinnen*, Editorinnen*, Tonfrauen*, Filmkomponistinnen* und Produzentinnen*
Jährliches Gender-Monitoring
verpflichtende Fortbildungen zur Sensibilisierung von Entscheidungsträger*innen gegenüber stereotypen Wahrnehmungskriterien, die Diskriminierung begünstigen
gleichberechtigte Teilhabe von Regisseurinnen* of Color, trans* Personen, non-binären Filmemacher*innen, Filmemacher*innen mit körperlicher Beeinträchtigung und Filmemacher*innen aus nicht privilegierten Familien
Im Namen unserer 678 Unterzeichnenden,
Pary El-Qalqili, Autorin und Regisseurin, NMT, Pro Quote Film Mitglied
Biene Pilavci, Autorin und Filmemacherin, NMT, Pro Quote Film Mitglied
Maren Kroymann, Schauspielerin
Bettina Reitz, Präsidentin (HFF München)
Esther Gronenborn, Regisseurin, ProQuote Regie
Helke Sander, Autorin und Regisseurin
Barbara Teufel, Regisseurin, Vorstand Pro Quote Film
Prof. Tatjana Turansky, writer-director, Pro Quote Film Mitglied
Madeleine Bernstorff, Filmkuratorin, Autorin, Filmaktivistin und Kommissionsmitglied Kurzfilmtage Oberhausen
Birgit Gudjonsdottir, Cinematografin und Gründerin von Cinematografinnen
Prof. Sophie Maintigneux, Bildgestalterin (KHM)
Sanne Kurz, MdL, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag
Prof. Karin Jurschick, Filmemacherin, Hochschule für Fernsehen und Film München
Nina Kronjäger, Schauspielerin
Ulrike Herrmann, Wirtschaftsjournalistin, Historikerin und Publizistin
Julia Schlingmann, Bildgestalterin, BVK (Mitglied des Vorstands)
Alexander Böhle, Bildgestalter, BVK (Mitglied des Vorstands)
Prof. Dr. Kathrin Peters, Universität der Künste Berlin
Jakob Lass, Autor und Regisseur
Ute Härter, Gleichstellungsbeauftragte Filmakademie Baden-Württemberg
Margrét Rún, Regisseurin und Autorin
Sheri Hagen, Autorin, Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin
Frederick Lau, Schauspieler und Mitbegründer Behind the tree
Nicolas Solar Lozier, Mitbegründer Behind the tree
Connie Walther, Autorin und Regisseurin, Pro Quote Film Mitglied
Brigitte Drodtloff, Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin
Prof. Dr. Sabine Rollberg, ehem. Arte-Redakteurin
Prof. Doris Dörrie, Autorin und Regisseurin, Hochschule für Fernsehen und Film München
Maria Mohr, Filmemacherin
Isabell Šuba, Autorin und Regisseurin
Jana Raschke, Dramaturgin und Lektorin
Sandra “Polly” Polchow, Festivalmacher*in und Journalist*in
Sandra Trostel, Regisseurin, Produzentin und Vorstandsmitglied AG DOK
Verbände, Vereine, Organisationen:
Bundesverband Regie (BVR)
Produzentenverband e.V.
Bundesverband Filmschnitt (BFS)
LaDoc - Frauen Dokumentarfilm Netzwerk
FC Gloria - Frauen Vernetzung Film
Pro Quote Film
Pro Quote Bühne
Pro Quote Medien
AG DOK
AG DOK Nord
Neue Deutsche Medienmacher*innen (NdM)
Journalistinnenbund e.V.
Crew United
Berlin Asian Film Network (BAFNET)
Label Noir - Künstlerkollektiv, Performance Netzwerk, Produktion Schwarze Perspektiven
Filmbüro Bremen
Filmbüro NW
Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln
Filmlöwin - feministisches Filmmagazin
BIPOC Filmsociety
Kollektiv Kinokas - queer-feministisches FLINT* Filmkollektiv
Kollektiv Ninotschka - Feministische Kunstproduktion
V.A.M.P.S. - Kollektive für experimentelle künstlerische Bildung
BLN - Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest
Dokomotive - Plattform
Blindgängerin
#wirwarenimmerda
Into the wild - Mentoring
Queer Media Society
Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest